Öffentliche Sicherheit

«Les deux bases du bien public sont la sûreté et les lumières.»

(Art. 4 der Verfassung der Helvetischen Republik vom 12. April 1798)

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Die Sicherheitsverfassung von 1999 (Stratos 2-2023)

Mit der geltenden Bundesverfassung von 1999 ist die schweizerische Sicherheitsverfassung auf ein neues Fundament gestellt worden. Im Ergebnis hat mehr als eine blosse Nachführung stattgefunden. Gleichwohl besteht ein grundsätzlicher Reformbedarf. Innerhalb der bestehenden Sicherheitsarchitektur gewinnt die Aufgabenwahrnehmung durch den Bund an Bedeutung. Die Unterscheidung zwischen innerer und äusserer Sicherheit gilt sicherheitspolitisch als überholt, ist aber rechtlich dominant. Die Verfassung bleibt überzeugende Antworten an moderne Bedrohungen zunehmend schuldig. In einzelnen Bereichen gelingt es nicht, stabile rechtliche Rahmenbedingungen herzustellen. Das Parlament unterschätzt die ihm zugedachte Rolle als Hüterin der Verfassung.

Staatsrechtliche Stellung des Generals

Bachelorarbeit von Valentin Streiff, Bachelor of Science (BSc) ZFH in Wirtschaftsrecht

Der General ist der höchste Dienstgrad in der Schweizer Armee und wird nur zu Kriegszeiten respektive, wenn die Armee zum Aktivdienst mobilisiert wird, an jeweils eine Person vergeben. Der General ist während dieser befristeten Zeit der Oberbefehlshaber der Schweizer Armee und hat die Aufgabe, die Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz zu wahren. Damit tritt eine neue Instanz mit weitgehenden Kompetenzen zu den bereits bestehenden Bundesbehörden.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, unter Einbezug der rechtshistorischen Entwicklung, die Stellung des Generals in der Schweizer Staatsordnung juristisch einzuordnen. Dabei werden die Entwicklungen des Oberbefehls in der Schweiz von der Helvetischen Republik bis zur Gegenwart dargelegt.

Die Arbeit beschreibt die rechtliche Stellung des Generals in der Schweiz, zeigt Schnittstellen zur Exekutive auf und macht mögliche Lösungsvorschläge für potenzielle rechtliche Herausforderungen. Es wird insbesondere auf die Erteilung des Auftrags durch den Bundesrat, die verfassungsrechtliche Kompetenz von Bundesrat und Bundesversammlung zum Aufgebot von Truppen, den Einbezug des Generals in bundesrätliche Entscheidungen sowie Schnittstellen zwischen Armee und Verteidigungsdepartement eingegangen.

Durch den aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine (dem ersten Krieg auf europäischem Boden im 21. Jahrhundert) erhält die Aufarbeitung der staatsrechtlichen Stellung des Generals weiter an Relevanz.

(Valentin Streiff)

Just Culture

Bachelorarbeit von Danai Spiess, Bachelor of Science (BSc) ZFH in Wirtschaftsrecht

Sicherheit ist in Kernanlagen das oberste Ziel und muss bei Versagen der Technik oder bei menschlichen Fehlern stets gewährleistet sein. Dafür kombinieren Betreiberinnen der Kernanlagen bauliche, technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen, welche dauernd an der Entwicklung der Technik angepasst werden. Hierzu sind einerseits die gesetzlichen Grundlagen, insbesondere das Kernenergiegesetz sowie die Kernenergieverordnung zu beachten. Andererseits geben die Safety Standards der IAEA sowie die Richtlinien des ENSI den aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik wieder und müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Zur Fehlervermeidung ist das Lernen aus Vorfällen und Beinaheunfällen zentral. Fehler werden aber nicht immer gemeldet, da die Meldenden sich der Gefahr aussetzen, aufgrund ihrer Meldung sanktioniert zu werden. Just Culture möchte diese Problematik lösen, indem Meldende für ihre unabsichtlich begangenen gemeldeten Fehler nicht sanktioniert werden sollen.

In den Bereichen Zivilluftfahrt und Kernenergie wird Just Culture bereits umgesetzt. Die Betreiberinnen der Kernanlagen werden in den Safety Standards der IAEA sowie in den Berichten und Richtlinien des ENSI dazu aufgefordert, eine Kultur des Vertrauens zu schaffen. Wie Mitarbeitende ermutigt werden zur Meldung von sicherheitsrelevanten Informationen, ist jeweils im Managementsystem umschrieben. Gewisse Meldepflichten der Bewilligungsinhaberinnen sind in den Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien geregelt. Im Gegensatz zum Luftfahrtrecht kennt das Kernenergierecht keine Bestimmungen zum Schutz der Meldenden. In der Zivilluftfahrt dürfen gewisse Akten und Beweismittel aus dem Sicherheitsuntersuchungsverfahren nur mit Einwilligung der beschuldigten Person an die Strafbehörde weitergegeben werden. Zudem sind Angehörige der Meldestelle des BAZL, welche die Ereignismeldungen aufnehmen und analysieren, von der Anzeige- und Verfolgungspflicht befreit.

Das Schweizer Recht steht im Konflikt mit Just Culture: Die Meldepflichten des Kernenergierechts verstossen gegen den nemo-tenetur-Grundsatz, wenn der oder die Meldende damit rechnen muss, dass aufgrund der Meldung ein Strafverfahren eröffnet wird. Des Weiteren steht die Anzeigepflicht des ENSI an die Bundesanwaltschaft im Widerspruch zur Just Culture, denn das Kernenergierecht kennt keine Relativierung der Anzeigepflicht des ENSI. Das ENSI hat zudem die gesetzliche Verpflichtung, die Öffentlichkeit über besondere Ereignisse zu informieren. Die Meldungen könnten aber aufgrund dieser Verpflichtung zurückgehen, weil unter Umständen die Publikationen des ENSI Rückschlüsse auf den Schuldigen oder die Schuldige geben könnten.

Um die Spannungsverhältnisse zu lösen, sind gesetzliche Änderungen notwendig. Dem ENSI soll bezüglich der Anzeigepflichten an die Bundesanwaltschaft einen Handlungsspielraum für leichte Fahrlässigkeit eingeräumt werden. Zudem soll sichergestellt sein, dass Ergebnisse und Akten des ENSI nicht im Strafverfahren verwendet werden können. Überdies soll die Möglichkeit bestehen, dass anstelle der Einzelperson die Bewilligungsinhaberinnen strafrechtlich verfolgt werden können.

(Danai Spiess)

Entwicklung des Dienstpflichtsystems

Juristischer Rahmen und Zusammenhänge

Aktuell werden eine "Sicherheitsdienstpflicht", eine "Bedarfsorientierte Dienstpflicht" und eine Volksinitiative "Service Citoyen" diskutiert. Die drei Vorschläge betreffen die Militäridenistpflicht, die Schutzdienstpflicht sowie kantonale Pflichten und damit (wenn auch unterschiedlich stark) sowohl grundrechtliche Schutzbereiche (Zwangsarbeitsverbot und Rechtsgleichheit) sowie die sicherheitspolitischen Instrumente Armee, Zivilschutz und Feuerwehr.

Bevölkerungsmeinung und politische Visionen

Die Varianten «Sicherheitsdienstpflicht», «Bedarfsorientierte Dienstpflicht» und der «Status Quo Plus» (wobei sich das Plus auf die Einführung eines obligatorischen Orientierungstages bezieht) haben eine Chance. Kurzfristige Faktoren aus der sicherheitspolitischen Lage dürften das Bild beeinflussen.  Insgesamt wird in unserm stabilen politischen System der Status quo bejaht.

Anti-Terror-Operationen in Europa

Buchcover (c) Weblaw

Das Fallrecht des EGMR zum Grundrecht auf Leben hat sich mit der Beurteilung einer Anti-Terror-Operation auf Gibraltar zu entwickeln begonnen. Ein jüngeres Urteil betrifft die Geiselbefreiung in Beslan. Aus der Rechtsprechung folgen sowohl Verbote als auch Verpichtungen für die  Sicherheitskräfte. Bei der Abwehr terroristischer Gefährdungen kann ein Dilemma zwischen der Picht zur Rettung von Opfern und dem Verbot der Tötung von Tätern bestehen.

Das vorliegende Werk setzt sich vertieft mit den drei Teilgehalten von Art. 2 EMRK auseinander: Der positiven, der negativen und der prozeduralen Verpichtung. Gestützt darauf werden die Rechtsgrundlagen für polizeiliche Operationen und für den Einsatz von potenziell tödlichen Zwangsmitteln untersucht. Mit der Unterscheidung zwischen einer prä-operationellen, einer operationellen und einer post-operationellen Phase können bestehende Verpichtungen der Staaten eingeordnet werden. Staatliche Verpichtungen bestehen sowohl bereits weit vorgelagert als auch im Nachgang zu eigentlichen Operationen.

Die Rechtsprechung zum Einsatz potenziell tödlicher Gewalt bildet heute einen engmaschigen, praxisrelevanten Standard für die Europaratsstaaten. Das vorliegende Werk soll zu weiteren juristischen Beiträgen und Diskussionen anregen.

Staatschutz der Kantone

Glattaler/Volketswiler vom 16. Januar 2020

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat Schnittstellen in die Kantone. Die kantonalen Nachrichtendienstbeamten sind meist in die Kantonspolizei integriert (im Kanton Basel-Stadt sind sie der Staatsanwaltschaft zugeteilt). Ein Ausbau der kantonalen Staatsschutzstellen ist angesichts der aktuell erhöhen Bedrohung folgerichtig. Die Kantone müssen die Lage "vor Ort" einschätzen können.

Terroristen schlagen nicht "wahllos" zu. Terroristsiche Aktionen sind stets kontextgebunden und konkret: Bestimmte Personen (mit einer bestimmten Organisationssturktur oder bestimmten Verbindungen) richten sich mit einer vorgesehenen Taktik gegen bestimmte Orte, gegen bestimmte menschliche Ziele (inbesondere Risiko-Personen) oder gegen bestimmte Infrastrukturen.

Eine erfolgreiche Abwehr kann nur im Verbund verschiedener Stellen erfolgen.

WEF 2020: Besuch von Donald Trump

Glattaler/Volketswiler vom 16. Januar 2020

Am WEF 2020 ist der Besuch des U.S.-amerikanischen Präsidenten Donald Trump geplant.

Trump ist als fremdes Staatsoberhaupt völkerrechtlich geschützt. Zudem ist er eine "Hochrisikoperson".

Der Besuch hält die Schweizer Behörden nicht nur im Raum Davos auf Trab. Entsprechend dem Bedrohungsprofil gilt es, eine Einsatzplanung mit Eventualplanungen vorzunehmen. Dazu müssen die verschiedenen zuständigen Stellen miteinander kooperieren.

Das Recht verpflichtet aber nicht nur zum Schutz - es steckt auch die Grenzen zulässiger Massnahmen ab. Dies ist bereits bei der Planung zu berücksichtigen.

Abnahme von DNA-Proben an Klima-Demo

Sonntagsblick, 21. Juli 2019

Die Entnahme einer DNA-Probe ist eine Zwangsmassnahme gemäss der Strafprozessordnung. Sie stellt zudem einen Eingriff in das Grundecht der informationellen Selbstbestimmung dar. Die Polizei darf nicht invasive DNA-Proben selber anordnen. Dabei kommt es aber auch den verfolgten Zweck an. Eine DNA-Probe zur Identitätsfeststellung wäre unzulässig, weil es dazu im Rahmen einer Personenkontrolle andere und insbesondere mildere Mittel gibt. Eine DNA-Probe zur Aufklärung von Verbrechen oder Vergehen erscheint bei gewaltfreien politischen Demonstrationen nicht verhältnismässig. Falls die betreffenden Demonstranten aber bereits einschlägig vorbestraft wären oder Hinweise auf weitere Delikte bestehen, könnte eine DNA-Probe im Einzelfall zulässig sein.


Die Entnahme von DNA-Proben stellt einen Grundrechtseingriff dar. Betroffen sind die Grundrechte der informationellen Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV) und die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich zwar nur um einen leichten Grundrechtseingriff (anderes als bei der Erstellung von DNA-Profilen). Dieser muss aber den Bestimmungen über Grundrechtseinschränkungen (Art. 36 BV) standhalten.

Die Entnahme einer DNA-Probe ist eine Zwangsmassnahme gemäss der Strafprozessordnung. Nicht invasive Probeentnahmen kann die Polizei anordnen (Art. 255 Abs. 2 StPO). Die erkennungsdienstliche Massnahme kann in dringenden Fällen mündlich angeordnet werden; dann muss sich nachträglich schriftlich bestätigt werden (Art. 260 Abs. 3 StPO; BGE 141 IV 87, E 1.3.3). Die Erstellung eines DNA-Profils müsste hingegen von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden (BGE 141 IV 87, E. 1.3.2.).

Die allgemeinen Grundsätze für Zwangsmassnahmen sind in Art. 197 StPO festgelegt. Neben einem hinreichenden Tatverdacht verlangt die Bestimmung, dass das angestrebte Ziel nicht mit einer milderen Massnahme erreicht werden kann und dass die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt.

Nach Art. 255 Abs. 1 StPO kommen DNA-Proben bei Verbrechen oder Vergehen in Frage. Das Bundesgericht lässt es zu, dass die Entnahme einer DNA-Probe auch mit anderen oder sogar mit zukünftigen Straftaten der betreffenden Person begründet wird. Dabei ist aber weiter nach dem Charakter der fraglichen Tat zu differenzieren. Zudem spielt es eine Rolle, ob eine Person vorbestraft ist oder nicht. Grundsätzlich gilt sodann die Unschuldsvermutung.

Die "Klima-Demos" vor Bankfilialen haben ein politisches Motiv. Solange sie friedlich sind, fallen solche Aktionen unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV). Durch die Blockade eines Hauseingangs ist eine Demonstration noch nicht unfriedlich. Unfriedlich – und damit aus dem Schutzbereich des Grundrechts fallen – würde sie erst, wenn es zu Ausschreitungen und zur Anwendung physischer Gewalt käme.

Die Blockade einer Bankfiliale kann strafrechtlich eine Nötigung oder einen Landfriedensbruch darstellen. Ja nach Verhalten gegenüber der Polizei kann die Hinderung von Amtshandlungen hinzutreten.

Die Polizei durfte die Klima-Demonstranten kontrollieren. Dazu gehört, ihre Identität zu prüfen und sie allenfalls auf einen Polizeiposten zu verbringen, wenn die Identität unklar ist.

Die Entnahme einer DNA-Probe stellt einen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung und der persönlichen Freiheit der Klima-Aktivisten dar. Eine solche Zwangsmassnahme muss sowohl den strafprozessrechtlichen als auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Insbesondere darf kein milderes Mittel für den gleichen Zweck zur Verfügung stehen.

Geht es um die Feststellung der Identität einer Person, so ist eine DNA-Probe ganz üblicherweise nicht notwendig. Es genügt, wenn die Personalien einer entsprechenden Person überprüft werden können.

Geht es um die Aufklärung oder Verhinderung von Verbrechen oder Vergehen, so kann die Entnahme einer DNA-Probe gerechtfertigt sein. Geht es aber nur um leichte Delikte – wie eine Nötigung durch passives vor einem Eingang Sitzen –, und ist die Täterschaft auch nicht vorbestraft, so erscheint die Zwangsmassnahme nicht gerechtfertigt.

Neues Waffenrecht - nur unwesentliche Änderungen

Über die Änderung des Waffengesetzes als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes wird am 19. Mai abgestimmt. Teile der Schützenkreise, die das Referendum egriffen haben, behaupten, die Schützentradition in der Schweiz sei dadurch in Gefahr. Seltdamerweise hat sich auch die Schweizerische Offiziersgesetllschaft dieser belegbar falschen Meinung angeschlossen. Sie ist  tatsachenwidrig, wie die beiden nachfolgenden Zusammenstellungen belegen.

Umgekehrt führte eine Ablehnung der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes mit grösster Wahrscheinlichkeit zur Beendigung des Schengen- und des Dublin-Assoziierungsabkommens. Das brächte der Schweiz v.a. sicherheitspolitisch einen von den Gegener der Gesetzesänderung unerkannten enormen Schaden: Die Beendigung des Schengen-Assoziierungsabkommens, mit dem das Dublin-Abkommen untrennbar verknüpft ist, führte dazu, dass in der Schweiz die Polizei und das Grenzwachtkorps keinen Zugang mehr zum Schengen-Informationssystem (SIS) hätten. Mit andern Worten, sie wüssten nicht, wer von den andern Ländern zur Fahndung oder Beobachtung ausgeschrieben ist. Die Schweiz würde zu einer Fahndungsinsel und zu einem Rückzugsraum für von andern Ländern gesuchte Tatverdächtige. Andererseits wüssten die Grenzorgane der andern Schengen-Staaten an den Schengen-Aussengrenzen nicht, wer aus der Schweiz weggewiesen oder über wen eine Einreisesperre verfügt worden ist.

Eine Zusammenstellung über die Gesetzes- und Verodnungsänderung sowie über die Bedeutung des Schengen- und Dublinsystem für die Schweiz folgt hier anschliessend.

Freiheitspodium: Wie schützen wir uns als Gesellschaft vor Extremisten?

Am 20. Februar 2019 hat in Basel das jährliche «Freiheitspodium» stattgefunden. Das Thema der «Gefährder» hätte an sich breit diskutiert werden sollen, drehte sich dann aber stark um ein tagesaktuelles Ereignis: Der U.S.-amerikanische Präsident Trump hatte nämlich verlauten lassen, dass die in Syrien gefangenen ausländischen Kämpfer von den europäischen Staaten zurückgenommen werden sollen.

Diese Kämpfer dürften sich in vielen Fällen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie weiterer Kriegsverbrechen strafbar gemacht haben. Die Republik Syrien ist zwar kein Vertragsstaat des Römer Statuts. Gleichwohl wäre die Errichtung eines internationalen Syrien-Gerichtshofs – auch gegen den Willen Syriens (sowie seiner Verbündeten) – wünschbar. Die Republik Syrien dürfte nämlich nicht in der Lage oder willens sein, diese Verbrecher einem gerichtlichen Verfahren zuzuführen.

Es wird damit gerechnet, dass etwa 30 dieser Kämpfer einen Schweizer Pass besitzen. Falls diese Leute in die Schweiz zurückkehren oder hierher ausgeschafft werden (von wem auch immer), so gelten die Territorialitätsprinzipien des Schweizerischen Strafgesetzbuches.

Eine Person, welche sich in Syrien dem IS angeschlossen hat, dürfte sich bereits damit strafbar gemacht haben. Ein entsprechendes Bundesgesetz sieht eine tiefe Strafbarkeitsschwelle vor und erfasst auch Auslandstaten:

Art. 2: Strafbestimmungen

1 Wer sich auf dem Gebiet der Schweiz an einer nach Artikel 1 verbotenen Gruppierung oder Organisation beteiligt, sie personell oder materiell unterstützt, für sie oder ihre Ziele Propagandaaktionen organisiert, für sie anwirbt oder ihre Aktivitäten auf andere Weise fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er oder sie in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 des Strafgesetzbuches ist anwendbar.

Sobald eine Verurteilung zu einer unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe führt, ist die Gesellschaft vor der verurteilten Person vorerst geschützt. Eine «Verwahrungsdiskussion» wäre insofern hinfällig und steht nicht im Vordergrund.

Insgesamt gilt bei "Gefährderdiskussionen" zu beachten, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze eingehalten werden. Das (teilweise geforderte) Instrument einer "Präventivhaft" - ohne dass jemand ein Delikt bereits vorbereitet hätte - steht im Widerspruch dazu.

In der Geschichte der Menschheit hat noch keine terroristische Organisation ihre Ziele erreicht. Auch in Syrien fallen diese Gruppierungen in sich zusammen. Terrorismus wird immer von Gesellschaften besiegt. Das Strafrecht und Überwachungsmassnahmen sind nur flankierende Mittel dazu.

Anti-Terror-Massnahmen dürfen den Rechtsstaat nicht schwächen - sie müssen auf seinem Fundament aufbauen und ihn letztlich stützen. Eine einhundertprozentige Sicherheit gibt es nicht - dies wäre auch nicht erstrebenswert, denn zu gross wäre der Verlust an Freiheit für die Allgemeinheit. Wo aber beispielsweise bestimmte Gruppierungen besonderen Bedrohungen ausgesetzt sind, kann der Staat zu Schutzmassnahmen verpflichtet sein (Poller am Boden, Schutz von Objekten, etc.). Das frühzeitige Erkennen und Verhindern von gewalttätigem Extremismus ist zudem Aufgabe des Nachrichtendiensts des Bundes. Ganz ohne Mittel steht die Schweiz also nicht da - eine andere Frage ist freilich, ob die Ressourcen ausreichen.

Air2030, Bundesverfassung und Demokratie

Anlässlich der Präsentation des Projetkes Air2030 (23. März 2018), d.h. der Beschaffung von Kampfflugzeugen und bodengestützter Fliegerabwehr, behauptete der Projektleiter auf eine entsprechende Frage, das Ganze werde nicht juristisch beurteilt, da es keine Verfassungsgerichtsbarkeit gebe. Das ist so nicht nur falsch, sondern zeugt auch von einer unerträglichen verfassungsrechtlichen Ignoranz.

Der Verzicht auf die Luftabwehr, was die unausweichliche Folge der Ablehnung dieses Planungskredites auf die überblickbare Zeit wäre, bedeutete auch den Verzicht auch die Verteidigung der Bevölkerung und des Landes, aber auch auf die Gewährleistung der Sicherheit des Landes. Die Armee könnte nicht einmal mehr ihre eigenen Truppen gegen Angriffe "von oben" schützen. Auch die Luftpolizei wäre nicht mehr möglich. Der Gastbeitrag in der NZZ vom 12. April 2018, Seite 10, und online zeigt die faktischen und rechtlichen Zusammenhänge.

Diskriminierende Personenkontrollen: Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Vorgaben - Rechtslage und Praxis

Diskriminierende Personenkontrollen war das Thema einer Polizeirechtsveranstaltung des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) der Universität Bern. Der auch hier veröffentliche Aufsatz ist die überarbeitete und ergänzte Fassung des Einleitungsreferates. Erstmals publiziert wurde er im Jusletter vom 6. März 2017

"Rasse" und "Ethnie" werden sowohl in der juristischen wie auch in der sozialanthropolgischen Literatur als unbrauchbar bzw. unhaltbar bezeichnet. Trotzdem ist "Rasse" ein Anknüpfungskriterium bezüglich Diskriminierung in Art. 8 Abs. 2 BV. "Herkunft" in dieser Bestimmung meint "ethnische Herkunft". Dies führt in der Praxis zu schwierigen Situationen, wenn einerseits die illegale Einreise in die Schweiz  verboten und strafbar ist, "Schengen" jedoch systematische Grenzkontrollen verbietet und zur Vermeidung von Diskriminierung nicht auch auf äusserliche Merkmale von Personenabgestellt werden darf. Dabei machen Migranten afrikanischer Herkunft eine grosse Zahl aus. Rein objektive Kriterien vermögen für die Feststellung einer diskriminierenden Personenkontrolle nicht zu genügen, es bedarf auch einer entsprechenden (möglicherweise gar unbewussten) subjektiven Seite. Die bundesgerichtliche Praxis ist konstant und klar: es darf nicht ausschliesslich auf äusserliche Merkmale abgestelt werden.

Über den Umgang mit Gefährdern

Die terroristischen Anschläge v.a. in Nizza und Berlin, deren Täter schon lange vor ihrer Tatausführung auf dem Radar verschiedener Sicherheitdienste als dem IS nahe oder zugehörig und sehr gefährlich erschienen waren, hat in der Bevölkerung und in der Politik Besorgnis ausgelöst. Was kann in solchen Situationen unter Beachtung der Grundrechte getan werden, um die Bevölkerung wirksam zu schützen. Ein Beitrag in der NZZ vom 12. Januar 2017 zeigt einen möglichen Weg.

10vor10: Beitrag zum Verbot eines PNOS-Konzerts

Am 10. Januar 2017 hat die Kantonspolizei St. Gallen mitgeteilt, dass für den Samstag ein kantonsweites Verbot für ein Konzert gelte, welches von einer rechtsradikalen Partei organisiert wird. Der genaue Ort ist der Polizei nicht bekannt.

Die Kantonspolizei St.Gallen hat Kenntnis davon erhalten, dass die Partei PNOS ein Rechtsrockkonzert in der Schweiz geplant hat. Gemäss den vorliegenden Informationen soll der Veranstaltungsort erst kurzfristig bekannt gegeben werden. Im Kanton St.Gallen ging kein entsprechendes Gesuch um Bewilligung dieser Veranstaltung ein. Erfahrungsgemäss werden bei Anlässen rechts- oder linksextremer Kreise Demonstranten der jeweiligen Gegenseite mobilisiert, weshalb mit folgenreichen Auseinandersetzungen gerechnet werden muss. Um die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, verbietet die Kantonspolizei St.Gallen die Durchführung der Veranstaltung im Kanton St.Gallen. Dem Parteipräsidenten der PNOS wurde eine entsprechende Verfügung zugestellt.

 Die Verfügung der Kantonspolizei stützt sich massgeblich auf die „polizeiliche Generalklausel“. Sprich es gibt keine ausdrücklich Norm im Gesetzesrecht, welche für ein Verbot des Konzerts herangezogen werden könnte.

Politische Versammlungen oder ähnliche Veranstaltungen können generell dann von einer Bewilligung abhängig gemacht werden, wenn sie im öffentlichen Raum und insbesondere auf öffentlichem Grund stattfinden (Herrschaft des Gemeinwesens). Darum scheint es aber vorliegend nicht zu gehen. Vermutlich hat die PNOS irgendeine grössere Halle oder ein Restaurant reserviert - das Konzert wird nicht auf öffentlichem Grund stattfinden.

Als Rechtsgrundlage für ein Konzertverbot kann die polizeiliche Generalklausel zur Anwendung kommen (vgl. auch Art. 36 BV). Es müssten dann aber die allgemeinen Voraussetzungen zu ihrer Anwendung erfüllt sein (die polizeiliche Generalklausel ist ein Rechtsinstitut, deren Ausgestaltung je nach Sachgebiet leicht variieren kann - vorliegend geht es aber um Grundsätzliches).

Zu den Voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel gehört, dass ein fundamentales Rechtsgut betroffen ist (klassische Gefahrenabwehr) – der Schutz von Leib und Leben Dritter entspricht dieser ersten Anforderung ohne Weiteres. Die Gefahr für das Rechtsgut muss sodann unmittelbar und schwer sein – ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn ein Konzert im Geheimen und vermutlich fernab der Öffentlichkeit stattfindet, kann bezweifelt werden. Weiter wären eine zeitliche Dringlichkeit sowie Subsidiarität gegenüber einem Handeln des Gesetzgebers (Änderungen im positiven Recht) verlangt und vermutlich vorliegend erfüllt. Die beiden letzten Erfordernisse zur Anwendung der polizeilichen Generalklausel sind hingegen kaum erfüllt:

Die Generalklausel darf nur von der zuständigen Behörde angewendet werden. Artikel 4 Absatz 1 des Polizeigesetzes des Kantons St. Gallen hält unter der Sachüberschrift „Polizeiliche Anordnungen im allgemeinen“ fest, „(d)ie Regierung erlässt polizeiliche Anordnungen, wenn eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mehrere Gemeinden erfasst oder die Anordnungen des Gemeinderates nicht ausreichen.“ Damit liegt die Zuständigkeit für ein kantonsweites Konzertverbot bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beim Regierungsrat, also bei einer politischen Behörde – und nicht bei der Kantonspolizei.

Sodann müsste ein Verbot verhältnismässig sein. Das ist bei einem Totalverbot kaum gegeben, auch wenn es zeitlich auf den kommenden Samstag begrenzt ist. Die Behörden würden die gleiche Verfügung auch für andere Tage ausfällen. Die PNOS als politische (Mikro-) Partei dürfte damit an keinem Ort im Kanton St. Gallen ein Konzert aufführen. Zudem gilt für Versammlungen mit politischem Charakter das Störerprinzip. Sprich solange eine Versammlung selber friedlich – also nicht offen gewalttätig – ist, müsste sie vor Störern geschützt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob an der Versammlung eine Meinung kundgetan wird, welche missliebig und inhaltlich zu verurteilen ist (für die Polizei würde es rechtlich keine Rolle spielen, ob sie Neonazis vor Autonomen oder Autonome vor Neonazis "beschützt" - es geht einzig darum, wer gewalttätig ist). Wird die Versammlung selber unfriedlich, so darf sie aufgelöst werden.

Kurzum: Wenn Konzerte wie diese problematisch erscheinen, sind die politischen Behörden, vorab die Parlamente und Regierungen aufgerufen, in den dafür vorgesehenen demokratischen Verfahren Massnahmen vorzusehen. Diese Massnahmen würden dann aber für alle ähnlichen Veranstaltungen ebenfalls gelten. Das ausnahmsweise Abstellen auf die polizeiliche Generalklausel bildet keine Alternative. Nach der älteren Rechtsprechung sowie einem massgeblichen Teil der Lehre darf die Generalklausel sowieso nicht angerufen werden, wenn Ereignisse vorhersehbar sind.

Die polizeilichen Behörden wiederum müssen allfällige Verstösse gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm konsequent zur Anzeige bringen und allfällige Einreisesperren durchsetzen. Beides kann unter Umständen schwierig und personalintensiv sein– aber es gibt kein „Sonderrecht“ für politische Wirrköpfe wie jene der PNOS, eine Partei, welche übrigens in der Schweiz nie richtig hat Fuss fassen können.

Echo der Zeit: Neonazi-Konzert in Unterwasser/SG

Nach Art. 67 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) können Einreiseverbote zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit angeordnet werden:

Das Bundesamt für Polizei (fedpol) kann zur Wahrung der inneren oder der äusseren Sicherheit der Schweiz gegenüber Ausländerinnen und Ausländern ein Einreiseverbot verfügen; es hört den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) vorgängig an. Das fedpol kann Einreiseverbote für eine Dauer von mehr als fünf Jahren und in schwerwiegenden Fällen unbefristet verfügen.

Im Falle der Neonazi-Bands, welche am Wochenende vom 16. Oktober 2016 in Unterwasser/SG aufgetreten sind, ist keine Einreisesperre verhängt worden.

Die präventive Massnahme kann gegen gewalttätigen Extremismus durchaus zur Anwendung kommen. Es müssen jedoch eine Gefährdungslage oder deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen. Ein Einreiseverbot könnte ausgesprochen werden, wenn Mitglieder einer solchen Band beispielsweise bereits wegen Rassismus vorbestraft wären und die Tat auch in der Schweiz unter Strafe stünde. Ebenfalls denkbar sind Einreiseverbote bei Aufrufen oder zustimmender Billigung terroristischer Akte oder beim Schüren von Hass gegen Teile der Bevölkerung.

Eine Veranstaltung an sich steht - solange sie einen friedlichen Charakter trägt - unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit. Nach einem Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2010 musste die Stadt Genf sogar ein Theater dem in Frankreich mehrfach wegen rassistischer Äusserungen verurteilten Kömodianten Dieudonné zur Verfügung stellen.

Das bedeutet aber nicht, dass die Behörden solche Veranstaltungen unterstützen. Vielmehr bleibt die Ahndung strafrechtlich relevanter Sachverhalte vorbehalten. Zudem ist es eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft, sich gegen Extremismen argumentativ zur Wehr zu setzen, Inhalte zu entlarven und zu entkräften.

Rezension


Recht in besonderen und ausserordentlichen Lagen. Unter besonderer Berücksichtigung des Rechts bei Katastrophen

Dissertation von David Rechsteiner, St.Gallen 2016, St. Galler Schriften zur Rechtswissenschaft, Band 28, Zürich/St.Gallen 2016

Bei besonderen und ausserordentlichen Lagen stehen staatliche Mittel und Verfahren in einem Missverhältnis zu konkreten Herausforderungen. Eine zügige Lösung tut aber meist Not. Angesichts drängenden Handlungsbedarfs gehen die durchaus vorhandenen Instrumente, aber auch die rechtlichen Grenzen für Massnahmen in besonderer oder ausserordentlicher Lage zuweilen vergessen – oder sie treten, da sie einengend wirken können, in den Hintergrund. Insbesondere ausserordentliche Lagen sind immer auch Bewährungsproben für den Rechtsstaat.

David Rechsteiner bearbeitet im vorliegenden Werk gleich mehrere Spannungsfelder. Er leitet seine 391 Textseiten umfassende, vollständig mit Randziffern versehene Dissertation mit einer Kurzzusammenfassung in drei Sprachen ein. Die klar und überzeugend gegliederte Arbeit umfasst insgesamt sechs Kapitel: Die «Problematik des Rechts in besonderen und ausserordentlichen Lagen» (A.) gewährleistet als Problemerfassung den Einstieg in die Thematik; mit den «Verfassungs- und völkerrechtliche Schranken» (B.) wird anschliessend bereits der zentrale übergeordnete rechtliche Rahmen abgesteckt; das Kapitel über «Besondere und ausserordentliche Rechtsetzungsverfahren» (C.) widmet sich den unterschiedlichen legislatorischen Handlungsmöglichkeiten; damit ist der Weg bereitet für eine Vertiefung am Beispiel des Katastrophenrechts (D.) sowie für «Bemerkungen zu Rechtsschutz und Entschädigungen von staatlichen Eingriffen». Die mit acht Seiten gebührend umfangreichen «Schlussfolgerungen» (F.) runden das Werk ab und unterstreichen die sorgfältig hergeleiteten wissenschaftlichen Erkenntnisse des Autors.

Zur vollständigen, im Schweizerischen Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (2016/5, S. 277 ff.) erschienenen Rezension siehe nachfolgende Datei.

Exchange of National Intelligence

National intelligence services have new options for data gathering – and new options of exchanging intelligence. They are cooperating more or less closely. Rules given by national legislators may interfere with human rights guarantees. The well known philosophic topic of freedom and security has become effective again.

The presentation was held on the Conference from 7th April 2016 at the Law Faculty of the University of Basel: "Regulating International Transfers of Data".

Urteilsbesprechung BVGer A-777/2014 (Major A.)

 

Sachverhalt

Major A. ist seit zwei Jahren Bataillonskommandant ad interim. Nun soll ihm das Bataillonskommando definitiv zufallen. Bei der Personensicherheitsprüfung zeigt sich, dass Major A. „(…) wegen Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB, SR 311.0) und versuchten Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse entsprechend einer Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen verurteilt“ worden war.

A. hatte einen „(…) Nachtclub aufgesucht und dabei Konsumationen und Dienstleistungen im Gegenwert von rund Fr. 4'000.– bezogen, die er mit zwei Kreditkarten beglichen hatte. Einen Monat später hatte er bei der Polizei den Diebstahl dieser beiden Kreditkarten angezeigt.“ Kurz vor Ablauf seiner Probezeit besuchte A. – zusammen mit seinem Anwalt – wieder ein Etablissement und nahm sexuelle Dienstleistungen in Anspruch; diesmal aber ohne strafrechtliche Relevanz.

Die Fachstelle stellte Major A. eine negative Risikoverfügung aus. Sie sehe in A. ein „Sicherheitsrisiko und empfehle, ihm keinen Zugang zu VERTRAULICH oder GEHEIM klassifizierten Informationen, GEHEIM klassifiziertem Armeematerial oder militärischen Anlagen mit Schutzzonen 2 und 3 zu gewähren. Zur Begründung führt die Fachstelle im Wesentlichen aus, sein Verhalten lasse bezüglich Integrität, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit berechtigte Zweifel aufkommen, welche in seiner besonders sicherheitsempfindlichen Funktion ein erhöhtes Sicherheitsrisiko erzeugten. Ein weiteres Sicherheitsrisiko bestehe betreffend Erpressbarkeit.“

Dagegen erhob A. Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Erwägungen

Allgemeines

Dem Bundesverwaltungsgericht kommt volle Kognition zu (Art. 49 VwVG). Es auferlegt sich aber eine gewisse Zurückhaltung, indem es „(…) ohne hinreichenden Grund nicht sein eigenes Gutdünken an die Stelle des Ermessens und des technischen Wissens der Vorinstanz als fachkundige Verwaltungsbehörde“ setzt. „Soweit die Überlegungen der Vorinstanz als sachgerecht erscheinen, ist grundsätzlich nicht in deren Ermessen einzugreifen“ (E. 2.).

„Als Sicherheitsrisiken im Sinne des BWIS gelten insbesondere Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst, gewalttätiger Extremismus, kriminelle Handlungen, Korruption, finanzielle Probleme, Abhängigkeiten, Erpressbarkeit und exzessiver Lebenswandel.“ Eine kriminelle Handlung braucht nicht vorzuliegen, um von einem Sicherheitsrisiko auszugehen (E. 4.1).

„Die Bejahung eines relevanten Sicherheitsrisikos im Sinne des BWIS kann dabei auch aufgrund der Summe mehrerer Risikoquellen gerechtfertigt sein, selbst wenn einzelne davon für sich genommen kein relevantes Sicherheitsrisiko darstellen würden“ (E. 4.2.1).

Verurteilgung des A.

„Eine Verurteilung wegen krimineller Handlungen führt dabei nicht zwingend zu einer negativen Beurteilung bzw. zur Annahme eines Sicherheitsrisikos. Auszugehen ist vielmehr von der Art des Delikts, den Umständen und den Beweggründen der Delinquenz. Es ist zu fragen, ob die damaligen Umstände Rückschlüsse auf Charakterzüge des Beschwerdeführers zulassen, die einen Risikofaktor darstellen“ (E. 6.1).

„Das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers zeugt von erheblicher krimineller Energie, insbesondere auch in Bezug auf die im Rahmen einer Sicherheitsprüfung geforderten Eigenschaften.“ Mit der Vertuschung seines Begrugsversuches zeigte „er sich ausgerechnet jener Institution – dem Staat – gegenüber als nicht vertrauenswürdig und nicht integer, auf deren Vertrauen er als Bat Kdt angewiesen wäre und welcher er in dieser Funktion hätte dienen sollen. Auch die verhältnismässig geringe Deliktssumme vermag nicht für den Beschwerdeführer zu sprechen“ (E. 6.5.2).

Erpressbarkeit

Auch wenn A. sein Verhalten gegenüber seiner Ehefrau offengelegt hat, bleibt er erpressbar. Er ist ein leitender Stellung als Jurist tätig. Seitens der Arbeitgeberin hat niemand Kenntnis von seiner Verurteilung und seinen Eskapaden. Seine „Zielattraktivität“ ist erhöht (E. 7.4.1 und 7.4.2).

Spektakelwert

Zudem stellt auch der „Spektakelwert“ dieses „sex and crime“ Falles ein Sicherheitsrisiko dar. Zu denken wäre, dass die (Boulevard) Medien über das Leben des Offiziers berichten könnten (E. 8.4).

Verhältnismässigkeit

Die negative Risikoverfügung erweist sich als verhältnismässig, da keine mildere Massnahme erkennbar ist (E. 10.2). Zudem überwiegen die „mit der Risikoerklärung verfolgten öffentlichen Sicherheitsinteressen (…) das private Interesse des Beschwerdeführers an deren Aufhebung, da insbesondere seine beruflichen Interessen nicht tangiert werden“ (E. 10.4).

Beurteilung

Den Ausführungen der Fachstelle (hier nicht erwähnt) und jenen des Bundesverwaltungsgerichts kannn weitgehend gefolgt werden. Beide Behörden stellen auf das potenzielle Risiko ab, welches durch Major A. der Armee und dem Staat erwachsen könnte.

Hingegen erscheint fraglich, ob der "Spektakelwert" zur Prüfung eines Risikos gehört. Hier wird das Schutzobjekt - der Schutz vertraulicher oder geheimer Informationen - ersetzt durch das Risiko einer Reputationsgefährdung der Armee.

Diesbezüglich wäre es m.E. in erster Linie die Verantwortung des vorgesetzten Brigadekommandanten abzustellen, Major A. nicht zu befördern. Denn ganz offensichtlich würde A. mit seinem angeschlagenen Leumund nicht einmal zum Leutnant befördert. Wer aber die Voraussetzungen nicht erfüllt, um überhaupt Offizier werden zu können, darf erst recht nicht ein Bataillon befehligen. So wies auch die Fachstelle darauf hin, dass ein Bataillonskommandant seine Aufgaben "in erster Linie durch sein einwandfreies persönliches Vorbild" erfüllt (E. 6.2).

(Reto Müller, 13. November 2014)

Urteilsbesprechung SK.2011.12, 6B_613/2012, 6B_604/2012

Die Pflicht eines Strafgerichts, bei einem Schuldspruch zusammen mit dem Strafurteil zwingend und vollständig auch über die anhängig gemachte Zivilklage zu entscheiden (Art. 126 Abs. 1 Bst. a StPO; gesetzliche Ausnahmen nach Abs. 2 und übermässig aufwändige Abklärungen für vollständige Beurteilungen nach Abs. 3 vorbehalten), führt bei schuldig gesprochenen Personen, die für eine Organisation handeln, welche einer öffentlich-rechtlichen Organisationshaftung unterstellt ist, zu einer Kollision mit dem Organisationshaftungsrecht.

Staatliches Gewaltmonopol

Am 20./21. Juni 2012 fand in Baden unter der Leitung von Prof. Benjamin Schindler, Prof. Rainer J. Schweizer und Dr. Markus Mohler eine Tagung des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis der Universität St. Gallen über verschiedene aktuelle Fragen des Sicherheits- und Polizeirechts statt. Die einzelnen behandelten Themen der Referate lauteten:

- Staatliches Gewaltmonopol (Markus Mohler)

- Privatisierung von Polizeiaufgaben (Andreas Zünd/Christoph Errass)

- Bundesstaatliche Kompetenzaufteilung im Polizei- und Sicherheitsrecht (Rainer J. Schweizer)

- Grundrechte (Patricia Egli)

- Rechtsschutz im Polizeirecht: Eine Standortbestimmung (Benjamin Schindler)

- Rechtsstaatliche Polizei in Zeiten intensivierter Prävention (Erhard Denninger)

- Wegweisungen und Rayonverbote in Überblick (workschop: Daniel Moeckli/Raphael Keller).

Alle teilweise stark erweiterten Referatstexte sind in Sicherheit&Recht, Heft 3/2012, November 2012 (Dike Verlag, www.dike.ch, zeitschriften@dike.ch), abgedruckt.

 

Der Beitrag über das staatliche Gewaltmonopol findet sich hier:

Herausforderung Innere Sicherheit

Postulat Malama: Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen

Bedeutung des Postulats

Seit dem Scheitern der IMP-Vorlage (Interkantonale Mobile Polizei) in den Kantonen sowie der BuSiPo-Vorlage (Bundessicherheitspolizei) in einer Eidgenössischen Volksabstimmung 1979 ist umstritten, welche Kompetenzen dem Bund im Berich der Inneren Sicherheit heute zustehen sollten und welche nicht. Schleichend hat der Bund damit begonnen, Aufgaben der Kantone zu übernehmen (im Grenzraum, in Zügen, vor Botschaften). Das Verfassungsrecht wird damit über seine Grenzen strapaziert.

Mit Anwort vom 2. März 2012 hat der Bundesrat Handlungsbedarf erkannt und sowohl Gesetzes- als auch Verfassungsrevisionen als notwendig bezeichnet.

Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012

application/pdf Bericht BR Erfuellung Postulat Malama_20120302.pdf (912,9 kB)

Sicherheitspolitik und Sicherheitsrecht

Aufsatz von Markus Mohler und Prof. Rainer J. Schweizer zu sicherheitsrechtlichen Problemstellungen im Zusammenhang mit dem neuen sicherheitspolitischen Bericht, erschienen in der elektronischen Publikation Jusletter.

Macht und Recht: Die Bundesintervention im 19. und 20. Jahrhundert

Referat von Reto Müller anlässlich des Treffens des Arbeitskreises Verfassungsgeschichte vom 16. Februar 2010 in Genf.

Die Rolle der Armee in der Inneren Sicherheit - Vom Einsatzinstrument ultima ratio zum Präventionsinstrument?

Der Aufsatz ist erschienen in der Festschrift der Offiziersgesellschaft Lenzburg (Hrsg.) "150 Jahre Offiziersgesellschaft Lenzburg", Lenzburg 2009

Innere Sicherheit Schweiz - Rechtliche und tatsächliche Entwicklungen im Bund seit 1848 (Diss. Basel 2009)

Innere Sicherheit Schweiz - Rechtliche und tatsächliche Entwicklungen im Bund seit 1848 beleuchtet die Wahrnehmung der Aufgaben zur Wahrung der Inneren Sicherheit durch den Bund. Das im Kern seit 1848 unveränderte System stösst seit über hundert Jahren immer wieder an seine Grenzen - für wirkliche Reformen fehlte aber bislang der Mut. Das Werk umfasst einen umfangreichen Vorspann, rund 500 Seiten Text sowie 19 zusammenfassende Thesen, 9 Forderungen und den Aufruf zu einer Neufassung von Art. 57 der Schweizerischen Bundesverfassung (Sicherheit). Es wurde im Mai 2009 auf Antrag von Prof. Dr. Markus Schefer, LL.M. als Dissertation der Juristischen Fakultät der Universität Basel angenommen und im August 2009 beim Thesis Verlag in Egg bei Einsiedeln publiziert.

Rezension Sicherheit & Recht 2010/2 (Prof. Benjamin Schindler)

application/pdf Sicherheit und Recht 2010-2 S. 141f.pdf (1,7 MB)

Rezension ASMZ 9/2009 (Eugen Thomann)

application/pdf Rezension_ASMZ.pdf (449,9 kB)

Rezension ZSR 126 (2010), Band 3, S. 361 ff. (Dr. Peter Kottusch)

application/pdf ZSR 2010 S 361 ff.pdf (1,1 MB)

Unsicherheit über Sicherheit (AJP 2007 / NZZ 2007)

Mit der "Wende" von 1990 sind einst klare Begriffe unklar geworden. Innere und äussere Sicherheit lassen sich, wie der Sicherheitspolitische Bericht 2000 festhält, kaum mehr voneinander trennen. Die Bundesverfassung hält aber aus föderalistischen Gründen an einer Trennung fest.

Vor diesem Hintergrund beleuchtet der in der Allgemeinen Juristischen Praxis (AJP) 2007 erschienene Aufsatz die Herkunft des Sicherheitsbegriffs, die Verfassungsrechtliche Kompetenzlage, die Sicherheitspolitik als demokratischen Prozess sowie aktuelle Entwicklungen (BWIS, EURO 08, WEF) für die Schweiz.